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Beitrag vom 04.03.2013
Laing - Paradies Naiv
Lou Zucker
Still sitzen wird schwierig: Das Debut-Album der Mädels hinter dem Hit "Morgens Immer Müde" macht mit elektronischen Partybeats, souligen Gesangseinlagen und Berliner Schnauze Lust auf...
...heiße Tage und lange Nächte.
Der Frühling rückt näher und die Vorfreude steigt, im Auto alle Fenster aufzureißen und mit lässig abgelegtem Ellenbogen durch Berlin zu cruisen – Laing voll aufgedreht. Laut der treffenden Selbstbeschreibung auf ihrer Facebook-Seite ist Laing "chinesisch für "Heißer Scheiß der dir ab jetzt am Schuh klebt" oder:
3 junge Berliner Sängerinnen treten gegen die deutsche Popmusik an".
Genauso rotzfrech, selbstbewusst und ironisch ist jeder Song auf dem Debut-Album der Berliner Mädchengang. "Ich werde von der Sonne wach/ Dreh mich um und schau dir zu, wie du schläfst" - ist das der Anfang von einem romantischen Liebeslied? Nein, solche Zeilen werden ganz schnell mit überzogenem Vogelgezwitscher und Sprüchen wie "Ich weiß wie du beim Ficken klingst" parodiert. In Wirklichkeit geht es in dem Song nämlich um einen klassischen "Morgen danach". Ansonsten handeln Laing-Lieder noch von den Vorteilen von Dreierbeziehungen, der Tagesschau, und davon, wie frau in der Bar "Zum Flotten Penner" ein Dutzend Männer an die Wand tanzt. Geregelter Tagesablauf und Normalbiografie erhalten von den jungen Sängerinnen eine funky Absage und Spießern werden Tanzbeine gemacht.
80er-Beats und Diskosound á la Deichkind werden immer wieder von Soulanleihen versüßt, die gute Laune machen und an dem Gesangstalent der Crew keinen Zweifel lassen. Yeah yeah yeah, das ist was wir hören wollen wenn wir uns für die Party aufhübschen oder Berlins Straßen unsicher machen.
Laing waren schon mit MIA. auf tour und landeten mit "Morgens Immer Müde" in den Top 10 der deutschen Single-Charts. Trotzdem sind sie alles andere als eine zusammengecastete Zweckgemeinschaft für den schnellen Erfolg. Ihr Hit stammt ursprünglich von Trude Herr ("Ich will keine Schokolade") aus dem Jahre 1960, selbst ein Vorbild in Sachen Originalität und Selbstironie. Ansonsten jedoch schreiben die Mädels ihre Texte selbst, produzieren ihre eigene Musik, entwickeln ihre eigenen Choreografien – sogar ihre Bühnenoutfits sind selbst genäht. Diese Eigenständigkeit schlägt sich in powervollen live-shows nieder und ihre Videos bleiben nicht durch wenig Kleidung sondern durch viel Coolness und Kreativität im Gedächtnis.
Während Deutschland über Anpassung debattiert, kommt so etwas in Laings reichhaltigem Wortschatz nicht vor. Die Berlinerinnen mit den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen weisen längst der deutschsprachigen Popmusik den Weg in die Zukunft.
AVIVA-Tipp: Charts sind normalerweise nicht der beste Ort um nach eigenständigen und unangepassten Frauenbands zu suchen. Laing jedoch beweist: So etwas wie originelle Diskohits gibt es wirklich. Und während wir schon mal mit dem Bouncen und Shaken anfangen, hauen uns die Mädels noch ihre lässige Direktheit und ihren scharfsinnigen Humor um die Ohren, damit wir ja nicht müde werden – weder morgens noch abends.
Zur Band:
Leadsängerin Nicola Rost, deren Feder sämtliche Texte und Musik auf Laings Debut "Paradies Naiv" entstammen, gründete die Band 2007 zusammen mit ihrer Jugendfreundin Marisa Akeny. Auch als S.h.i.h. bekannt, ist Tänzerin Akeny für die Choreografie verantwortlich, während Johanna Marschall und Atina Tabé Laings Sound durch ihre starken Stimmen prägen. Einziger männlicher Integrant der Gruppe ist Schlagzeuger Ketan Bhatti, der in Musikvideos allerdings nicht in Erscheinung tritt. An der Finalisierung der Produktion beteiligten sich auch "alte Hasen" der Berliner Musikszene wie siriusmo und Jan Driver. Peter Fox zählt die kreative Crew im Booklet von "Stadtaffe" zu seinen "local heroes".
Laing – Paradies Naiv
Label: Universal Music
VÖ: 01. März 2013
www.facebook.com/mulaingsik
www.universal-music.de